Lernen in der Natur: Warum das Konzept der Draußenschule mehr im Unterricht genutzt werden sollte

Bei unseren skandinavischen Nachbarn seit langem etabliert und bewährt, bei uns hingegen noch sehr stiefmütterlich behandelt: Das Konzept der Draußenschule. Aus diesem Grund hat sich die Fachredaktion Biologie von Wirlernenonline dieses Themas angenommen.

Draußenschule: Wie das Lernen in der Natur funktionieren kann

Die Natur ist mittlerweile als Ressource bei der Entwicklung von Kindern in ihrer Wichtigkeit erkannt worden. Das ist einer der Gründe, warum Waldkindergärten einen großen Zulauf erfahren. Doch kaum ist die unbeschwerte Kindergartenzeit vorbei, ist scheinbar auch diese Erkenntnis nicht mehr von Belang. Verbringen doch unsere Schulkinder ihre gesamte Lernzeit in geschlossenen Räumen und unter künstlicher Beleuchtung.

Ganz anders dagegen unsere skandinavischen Nachbarn: In Dänemark, Norwegen und Schweden werden bereits seit den 1990iger Jahren Teile des Unterrichts nach draußen in die Natur verlagert. Das Konzept ist dort unter den Namen „Udeskole“, „Uteskole“ beziehungsweise „utomhus-pedagogik“ bekannt. Diese Unterrichtsform fördert neben dem selbstständigen Entdecken und dem spielerischen Lernen auch den Zusammenhalt der Schüler*innen untereinander und stärkt zudem die Bindung zu den Lehrenden. Dieses kurze Video „Dänemarks Schulmodell: So schön kann Schule sein“ stellt das Konzept der Draußenschule an einer dänischen Schule vor.

Draußenschule – nur für das Fach Biologie interessant?

Vielleicht sieht es auf den ersten Blick jetzt so aus, als wäre dieses Konzept der Draußenschule hauptsächlich für den naturwissenschaftlichen Unterricht, vor allem für das Fach Biologie, interessant und relevant. Doch das ist nicht der Fall! Tatsächlich soll der Unterricht unter freiem Himmel den Spaß am Lernen generell und damit fachunabhängig entwickeln. Was beispielsweise alles an Themen an so einer Unterrichtseinheit im Freien abgedeckt werden könnte, zeigt das Video „Draußenschule: Lernen im Leben“ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), die gemeinsam mit dem Deutschen Wanderverband (DWV) das Projekt „Schulwandern – Draußen erleben. Vielfalt entdecken. Menschen bewegen“ durchgeführt hat.

Neben typischen biologischen Themen können also in einer Unterrichtseinheit im Freien auch durchaus Mathematik (Umgang mit Messinstrumenten, Messen, Schätzen etc.), Erdkunde (Gesteinsbestimmung etc.), Geschichte (Spuren der Eiszeit entdecken, Besiedlungsgeschichte anhand von Mauerresten erkunden etc.), Sport (Wandern, Klettern etc.) und viele weitere untergebracht werden.

Das Lernen in der Natur bietet viele Vorteile

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Bild: unsplash

Neben den in den Videos vorgestellten Projekten beschäftigt sich auch die Wissenschaft bereits mit der Fragestellung, inwieweit Natur Vorteile beim Lernen bietet. Und tatsächlich wurden bereits einige positive Effekte durch verschiedene Studien beschrieben: Neben einer Förderung von Ausdauer, Geschicklichkeit und Koordination wurden auch kognitive Verbesserungen festgestellt, wie beispielsweise eine gesteigerte Aufmerksamkeit, die auch bis in die nächsten Tage hinein bemerkbar war, und eine verbesserte Gedächtnisleistung – vor allem des Langzeitgedächtnisses. Auch auf soziale Kompetenzen hat der Unterricht in der Natur Einfluss: Die Schüler*innen lernen Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für sich, sondern auch für andere – und in verschieden großen Gruppen zu interagieren, was als Vorstufe zur Teamarbeit gesehen werden kann. Generell wurde bei Projekten an Draußenschulen beobachtet, dass Unterrichtstage in der Natur die Gemeinschaft stärkt, was vor allem an Schulen mit einem hohen Migrationsanteil vorteilhaft ist.

Des Weiteren können die Schüler*innen durch den Unterricht in der Natur auch eine Verbesserung ihrer Selbstständigkeit, ihres Selbstvertrauens und ihrer Selbstachtung erfahren, einfach dadurch, dass zum Beispiel herausfordernde Situationen, wie Karten lesen, Feuer machen und einen Unterstand bauen erfolgreich bewältigt wurden.

Verschiedene Studien zu den Vorteilen, die das Lernen in der Natur bietet, findet sich in der Sammlung „Draußenschule: Wissenschaftliche Studien“.

Wie Unterrichtsthemen in die Draußenschule gebracht werden können

Im ersten Augenblick klingt das alles sehr gut. Doch bereits wenn du als Lehrer*in länger darüber nachdenkst, stößt du bestimmt auf einige Fragen. Denn schließlich weiß nicht jeder Lehrende, wie Themen, die bislang immer nur im Klassenraum behandelt worden sind, in die Natur übertragen werden können.

Auch hier können unsere skandinavischen Nachbarn wieder ein Vorbild für uns sein. Bei ihnen gibt es sogenannte „Naturdolmetscher*innen“. Das sind Menschen, die unterschiedliche berufliche Hintergründe haben, zum Beispiel Forst- und Landschaftsingenieur*in oder Gärtner*in, und außerdem Erfahrung mit naturbezogener Pädagogik aufweisen. Diese Naturdolmetscher*innen sind entweder an einer Schule fest angestellt oder auf freiberuflicher Basis tätig. Ihre Aufgabe ist es, mit dem*r Lehrer*in zu besprechen, wie die Bildungsinhalte, die im jeweiligen Schuljahr übermittelt werden sollen, am besten nach Draußen gebracht werden können.

Bei dem oben bereits erwähnten Projekt „Schulwandern – Draußen erleben. Vielfalt entdecken. Menschen bewegen“ wurden außerdem verschiedene Ideen für einen Biologie-Unterricht in der Natur gesammelt. Diese und weitere Ideen finden sich in der Sammlung „Draußenschule: Tipps für den Unterricht“.

Und nun laden wir dich als Lehrende*n herzlich ein, bei uns etwas zu stöbern. Bestimmt findest du einige interessante Anregungen für ein Lernen in der Natur. Abschließen möchten wir diesen Beitrag mit dem Zitat von Tim Brighouse (gefunden im Buch „Fieldwork in Action: Planning Fieldwork“ von May, Richardson und Banks), der auf den Punkt bringt, warum wir uns vermehrt dem Thema Lernen in der Natur zuwenden sollten: „Eine Unterrichtslektion draußen ist so viel wert, wie sieben drinnen!“

Bild: undraw

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